Amt Emster-Havel
 
  Jeserig  
     
 
 

Ich orgele so lange, wie ich kann!

 
 

"Wo denken Sie hin, ich kann doch nicht aufhören! Dann bleibt der Gottesdienst ohne Orgelmusik, und das geht nicht." Richtig! Zudem haben sich die Jeseriger Kirchengänger an ihre "Orgel-Oma" Margot Messerschmidt gewöhnt. Denn seit 63 Jahren begleitet die 90jährige deren Gesänge zum Gottesdienst.

Jeden zweiten Sonntag spielt Margot Messerschmidt "ihre" Schuke-Orgel, Baujahr 1903, in der Jeseriger Dorfkirche. "Ich konnte auch nicht zu Hause bleiben, als ich mir vor einiger Zeit die Hand gebrochen hatte. Da war das Orgeln schon ziemlich schwierig, aber daneben gegriffen habe ich trotzdem nicht", bemerkt die dreifache Mutter, fünffache Oma und siebenfache Ur-Oma nicht ohne Stolz.
Nun, die rüstige alte Dame hat da im Laufe der Jahre ganz andere Dinge weggesteckt. Ihre Lebensgeschichte ist spannend wie ein Krimi. Geboren und aufgewachsen in Templin in der Uckermark, wollte sie eigentlich immer ein Stadtmensch bleiben. Am liebsten in Berlin. Doch ein charmanter Herr namens Friedrich Messerschmidt eroberte ihr Herz. Der war von Beruf Pfarrer wie ihr Vater und wurde mit seiner Familie 1936 ins Dorf Jeserig auf die Pfarrstelle berufen. "Maximal fünf Jahre wollten wir hier bleiben. Und nun halte ich es schon seit 67 Jahren in Jeserig aus!" Warum auch nicht. Schließlich hat Margot Messerschmidt hier alles, was sie braucht, um glücklich zu sein: ihre Familie, eine gemütliche Wohnung, bezaubernde Natur und nette Menschen. Die haben ihr auch geholfen, als sie 1945 zwei Tage vor Weihnachten mit drei kleinen Kindern plötzlich ohne ihren Friedrich dastand. "40 Jahre, das ist kein Alter zum Sterben! Für mich brach alles zusammen. Woher ich die Kraft und den Lebenswillen genommen habe, uns vier durchzubringen, weiß ich heute nicht mehr." Denn ab sofort begann der Tag noch vor dem ersten Hahnenschrei: Kaninchen, Hühner und Ziegen mussten gefüttert werden, die Kinder waren zu versorgen, für sie musste sie Mutter und Vater sein. Ganz nebenbei galt es, den Verlust-Schmerz zu verarbeiten, die kleine Familie alleine zu managen, also für die nötigen Finanzen und ausreichend zu essen zu sorgen und möglichst für alle vier immer die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Geholfen hat Margot Messerschmidt in dieser Zeit ganz sicher die Musik. "Schon als Kind hatte ich Gesangs- und Klavierunterricht und fühlte mich wohl mit Klängen."
Wen wundert´s, dass sie 30 Jahre lang denn auch den Jeseriger Kirchenchor leitete, der an Feiertagen, bei Einweihungen, in der Adventszeit, zu Gottesdiensten, Hochzeiten, Beerdigungen oder Taufen für die entsprechende feierliche Untermalung sorgte.
Apropos sorgen. Margot Messerschmidt versorgt sich und ihren Haushalt noch immer alleine! "Inklusive Fensterputzen und Wäschewaschen. Warum sollen das andere machen, wenn ich´s noch bestens kann." Und sie hat nach den schweren Jahren später auch immer mehr Zeit für sich gefunden. "Meine täglichen ausgiebigen Spaziergänge hier in der Natur genieße ich immer wieder. Aber ich kann auch nicht ohne meinen wöchentlichen Stadt-Ausflug nach Brandenburg sein."
Und die Jeseriger können nicht ohne Margot Messerschmidts Orgelspiel zu den Gottesdiensten sein.
Deshalb wünschten vor allem die Kirchgänger ihrer "Orgel-Oma" am 30.04.2003 zum 90. Geburtstag noch viele Jahre bei bester Gesundheit.

 
Vorwort
Sinnvolle Zukunft
Ausflugtipps
Stolz und Wehmut
"Ver-Nebel-te" Schule
Orgel Oma
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Eingemeindung
Vereinsleben
Das gallische Dorf
Vereinsleben
Glück gehabt
Kirche bleibt im Dorf
Das Heinzelmännchen
Gollwitzer Held(t)
Einen Neustart wagen
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