Für
die 483 Gollwitzer ist er ihr Held(t)!
Nicht nur, weil er mit eiserner Disziplin
seinem Hobby Extremsport im Outdoorbereich
nachgeht, sondern weil er sich genauso
hartnäckig und unnachgiebig für
sein Dorf einsetzt: Andreas Heldt, 40,
geboren und aufgewachsen in Gollwitz und
seit 1993 Bürgermeister.
Andreas Heldt, wenn es Sie seit 40 Jahren
in Gollwitz hält, müssen Sie
triftige Gründe haben, nicht wie
viele andere junge Leute von Stadtsehnsucht
gepackt worden zu sein. Was macht für
Sie den Reiz Ihres Heimatdorfes aus?
Gollwitz ist ein typisch märkisches
Dorf, geprägt von Landwirtschaft
mit Einzellandwirten, Agrargenossenschaften
und Ackerbau. Das heißt auch, hier
gibt es Felder und Wälder und einzigartige
Natur. Außerdem ist Gollwitz ein
sozial gefes-tigtes Dorf, in dem Neu-Gollwitzer
neben Alteingesessenen Gartenzaun an Gartenzaun
leben. Dank unserer Lückenbebauung
entstanden bei uns keine abgegrenzten
sozialen Siedlungen, sondern ein Miteinander
der Generationen.
Ich persönlich schätze die exponierte
Wohnlage und habe deshalb nie wirklich
Sehnsucht nach Leben in der Stadt gehabt.
Gollwitz ist ein Sackgassendorf, hier
führt also keine Durchgangsstraße
entlang. Damit bleiben uns auch Lärm,
Dreck und Gefährlichkeit der Bundesstraße
B1 erspart. Sie gestattet aber auch eine
schnelle Anbindung an die Stadt Brandenburg,
denn sie führt nur etwa 1km am Dorf
entfernt vorbei. Gollwitz ist an die zentrale
Trinkwasserver-und Abwasserentsorgung
angeschlossen, wir haben Erdgasanschluss,
eine erdverkabelte Stromversorgung, neue
Straßenbeleuchtung - also alle Annehmlichkeiten,
die man braucht. Ich fühle mich hier
einfach wohl und zu Hause.
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Lädt zum
Spazieren ein - der Gutspark von
Gollwitz mit seinen alten Eiben
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Nun haben Sie schon einiges angeführt,
das während Ihrer Amtszeit als Bürgermeister
erreicht wurde. Was gehört noch dazu?
Das ist für ein kleines Dorf wie
Gollwitz schon eine ganze Menge! Wir sind
die einzige Gemeinde im Amt, die nicht
zum Abwasserzweckverband gehört.
Wir haben den Anschluss an die zentrale
Trinkwasserver-und Abwasserentsorgung
aus eigener Kraft geschafft. Auch Straßenbeleuchtung
oder Strom über Erdkabel sind für
die Lebensqualität der Bewohner wesentliche
Dinge. In diesem Jahr schließen
wir zudem die Straßenbaumaßnahmen
ab, so dass es dann in Gollwitz keine
unbefestigten Straßen mehr gibt.
Unser Motto "Langsamer geht schneller"
ist aufgegangen. Wir wollten nicht auf
die Überholspur und besser als andere
sein, nur weil unsere Nachbarn Gas geben.
Wir wollten Schnellschüsse vermeiden,
und das ist uns gelungen. Ich denke, wir
haben das Durchschnittliche ganz professionell
bewerkstelligt.
Auch unsere Vereine haben sich gut entwickelt.
Die Volkssolidarität ist sehr aktiv.
Um unsere architektonisch-geschichtlichen
Ein-maligkeiten Kirche, Schloss und Sarghalle
im Stil Schinkelscher Baukunst kümmert
sich der "Förderverein zur Ortsgestaltung
und zum Erhalt historischer Bauten in
Gollwitz e.V." im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Wir haben eine intakte Feuerwehr, eine
gute Jugendfeuerwehr und einen rührigen
Anglerverein. Gollwitz steht also insgesamt
gut da.
Wo liegen die Schwachpunkte?
Eindeutig im Tourismusbereich. Hier hätten
wir mehr tun müssen. Wir haben die
Havel vor der Tür, einen naturbelassenen
Gutspark mit im Land Brandenburg einmaligen
über 200 Jahre alten Eiben, ein sehenswertes
Schloss, viele attraktive Veranstaltungs-Höhepunkte
im Don Bosco Haus - also diese Gegebenheiten
haben wir zu wenig für Werbung nach
außen genutzt. Das jährliche
Sommerfest reicht da eben nicht, um nennenswerte
Besucherströme in unser Dorf zu locken.
Die Gollwitzer sind fest entschlossen,
das Amt Emster-Havel nach der Kommunalwahl
am 26.10.2003 zu verlassen und nach Brandenburg
zu gehen. Warum?
Es gibt 1000 Gründe dafür,
1000 dagegen. Eindeutig dafür spricht,
dass wir vom Land pro Einwohner nicht
wie normalerweise üblich 100 Euro
bekommen, sondern 500 Euro. Die können
wir für die weitere Entwicklung unseres
Dorfes gut gebrauchen. Außerdem
werden die Trinkwasser-, Abwasser- und
Müllgebühren billiger, Hundesteuer
und Grundsteuern bleiben für 5 Jahre
auf dem jetzigen niedrigen Stand.
Das ist sicher ungewöhnlich und für
viele nicht nachvollziehbar, dass eine
Gemeinde freiwillig in eine große
verschuldete Stadt will. Aber wir Gollwitzer
haben das ganz sportlich gesehen: Der
Bessere soll gewinnen. Brandenburg hatte
nach Meinung der meisten Gollwitzer die
besseren Argumente.
Wir haben auf Einwohnerversammlungen gemeinsam
mit Vertretern der Stadt Brandenburg frühzeitig
die Vor- und Nachteile offen gelegt, so
dass jeder Gollwitzer genau Bescheid wuss-te
und seine Entscheidung in Ruhe fällen
konnte.
Welche Argumente überzeugten die
Gollwitzer denn nicht?
Die nicht sofort sichtbaren und spürbaren
wie Mitbestimmungs- und Demokratieverlust.
In einem kleinen Dorf mit nicht einmal
500 Einwohnern können Entscheidungen
schnell und unbürokratisch getroffen
werden. Das ist anders, wenn man dann
ein kleiner Teil von 75.000 Einwohnern
ist. Aber das wird die Zukunft zeigen,
welche Möglichkeiten der Mitbestimmung
man dann hat oder nicht. Auch die prekäre
finanzpolitische Lage von Brandenburg
hat die meisten Gollwitzer nicht abschrecken
können.
Also wird der 26.10.2003 auch der Abschiedstag
für die Gollwitzer im Amt Emster-Havel
sein.
Die Verfassungsbeschwerde der vier Gemeinden
Jeserig, Schenkenberg, Trechwitz und Wust
gegen die zwangsweise Eingemeindung könnte
Ihnen einen Strich durch die Rechnung
machen. Was dann?
Wir gehen nicht davon aus, dass diese
Beschwerde Erfolg haben wird. Deshalb
denken wir über eine andere als die
Variante Gollwitz-geht-zu-Brandenburg
nicht nach.
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