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Götz
kennt man in ganz Deutschland als die
erste zwangsweise verwaltete Gemeinde
in Ostdeutschland. Anfang der 90er vertrauten
der damalige Bürgermeister Peter
Bergholz und seine Gemeindevertreter zu
sehr windigen Geschäftemachern. Das
Ergebnis: ein Schuldenberg in schwindel-erregender
Höhe. Und so ist alles, was seit
1995 in der Gemeinde getan wird, überschattet
vom schweren finanziellen Erbe.
Bürgermeister Detlef Lemke (47),
ein Ur-Götzer, gehörte zu denen,
die diese Situation mitzuverantworten
hatte, der seit 1995 als Dorf-Oberhaupt
aber versucht, die Karre wieder aus dem
Dreck zu ziehen.
Detlef Lemke, was haben Sie denn trotz
dieser katastrophalen Finanzlage für
Ihr Dorf geschafft? Gibt es auch Erreichtes,
worauf Sie stolz sind?
Doch schon! Erst einmal, dass sich sowohl
1995 als auch bei den Kommunalwahlen 1998
Männer und Frauen bereit fanden,
trotz der nahezu ausweglosen Situation
die Ärmel hochzukrempeln und Verantwortung
zu übernehmen.
Für die Gemeinde war es gut zu sehen,
dass wir trotz des Schuldenbergs nicht
den Kopf in den Sand gesteckt, sondern
unsere angefangene Dorferschlie-ßung
weiter vorwärts getrieben haben und
dank offener Buchführung auch wieder
Fördergelder für diverse Projekte
bekamen.
Da ist beispielsweise das 1994 aufgrund
der herrschenden Finanznot mit Baustopp
belegte Klärwerk. Wir konnten es
mit Hilfe einer Landesbank zu Ende bauen.
Durch einen Wohnungsbauträger wurden
104 Eigentumswohnungen er-richtet, wodurch
sich die Wohnverhältnisse sowohl
für alteingesessene als auch Neu-Götzer
spürbar verbesserten. Unser Trinkwasserwerk
konnten wir durch gezielte Investitionen
er-weitern und erneuern. Mit Ausnahme
von Götzer Berge ist das gesamte
Dorf an die Abwasserentsorgung angeschlossen.
Und dass die Handwerkskammer Potsdam auf
45.000 Quadratmetern ein Zentrum für
Gewerbeförderung, immerhin ein 70
Millionen-Mark-Projekt, da-mals in Götz
errichten ließ, war und ist für
unser Dorf ein echter Gewinn.
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Das
sanierte Gotteshaus in Götz
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Was ist denn typisch Götz?
Die Götzer. Sie mussten in den letzten
zehn Jahren viel einstecken. Trotzdem
zogen sie oft ohne viel zu murren mit.
Das ist schon erstaunlich. Vielleicht
nehmen sie ihren Optimismus auch aus dem
vielfältigen und regen Vereins- und
Dorfleben. Ich denke da an das jährlich
stattfindende dreitägige Schützenfest
und an die Jugendarbeit, die Schützenverein,
Anglerverein und auch die Freiwillige
Feuerwehr leisten, aber auch an die Kegel-
und Singeabende sowie Busfahrten der Senioren.
All diese Aktivitäten können
nicht, wie in anderen Orten, von unserer
Gemeinde finanziell unterstützt werden.
Was da von den Vereinsmitgliedern für
unser gesamtes Dorf geleistet wird, kann
gar nicht genug gewürdigt werden.
Typisch Götz ist aber auch eine lebendige
Evangelische Kirchengemeinde. Hier treffen
sich sonntags regelmäßig an
die 90 Erwachsenen und 25 Kinder, um ihren
Glauben zu pflegen.
Nicht zuletzt ist typisch Götz auch
die gesunde Natur - der Götzer Berg,
die Havel, die idyllisch gelegenen Badeseen.
Hier fühlen sich auch Auswärtige
sehr wohl.
Wie kam es eigentlich zu den Götzer
Turbulenzen?
Wir haben zu vieles auf einmal gewollt
und angefangen und hatten keinerlei Erfahrungen.
Wir haben einfach die Ärmel hochgekrempelt,
nicht alles richtig hinterfragt und geprüft.
Wir wollten diese Aufbruchsstimmung Anfang
der 90er für unser Dorf nutzen. Zudem
drückten die In-vestoren auf Tempo,
wir fanden das damals in Ordnung, heute
sind wir alle schlauer. Nun bauen wir
mit Hilfe des Landes nach und nach unseren
Schuldenberg ab.
Gewöhnlich lernt man aus seinen
Fehlern. Passiert das auch in Götz?
Selbstverständlich! Es wird viel
mehr hinterfragt sowie nach Alternativen
gesucht. In Bürgersprechstunden und
Versammlungen reden wir sehr offen über
alle wichtigen anstehenden Dinge und das
schafft Vertrauen. Doch nicht nur wir
haben Fehler gemacht. Auch diverse Kreis-
und Landesbehörden haben zu mancher
Fehlentwicklung beigetragen. Ich erinnere
nur daran, dass zur selben Zeit, als für
unser Klärwerk ein Baustopp verhängt
war, nur zwei Kilometer weiter in Jeserig
ein weiteres Klärwerk genehmigt und
gebaut wurde.
Eine sehr persönliche Frage: war
es Mut, Verzweiflung, Wiedergutmachung
oder Selbstüberschätzung, als
Bürgermeister zu kandidieren, obwohl
Sie als Gemeindevertreter die Götzer
Finanzmisere teilweise mitzuverantworten
hatten?
Nichts von alledem. Für eine solche
nahezu unlösbare Aufgabe musste man
aber schon Herzblut und Liebe zum Heimatdorf
haben. Ich bin hier geboren, aufgewachsen,
meine Familie ist hier verwurzelt, da
geht man dann schon mal bis zur Schmerzgrenze
- und wenn es sein muss, auch darüber
hinaus.
Es gab und gibt nichts zu verteilen. Wir
müssen Schulden abbauen. Dabei sind
wir in den vergangenen drei Jahren dank
der beharrlichen Arbeit der Gemeindevertretungen
seit 1995 bis heute gut vorangekommen.
Warum wollen Sie jetzt die Götzer
aus dem Amt Emster-Havel in die Gemeinde
Groß Kreutz führen?
Vor allem, weil wir Götzer in der
vom Land vor einigen Jahren in Gang gesetzten
Gemeindegebietsreform eine Chance sehen,
uns langfristig wirtschaftlich und verwaltungsmäßig
zu verbessern. Zudem haben sich im 2001
durchgeführten Bürgerentscheid
drei Viertel der Götzer für
die gemeinsame amtsfreie Gemeinde mit
Groß Kreutz und weiteren Gemeinden
entschieden. Im Übrigen haben wir
kirchlich schon vollzogen, was politisch
folgen soll: seit 01.04.2003 gehören
wir zum Pfarramt Groß Kreutz.
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