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Der
Große Havelländische
Hauptkanal bei Paulinenaue
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Paulinenaue ist nicht das typische havelländische
Dorf, obwohl auf der Talsandinsel am Rande
des Niedermoores schon vor Urzeiten gesiedelt
wurde, was Bodenfunde beweisen. Urkundlich
erwähnt wurde der Ort in einer Urkunde
der Bredows als "Heideberge"
zwischen Lindenholz und dem 1372 niedergebrannten
Dorf Lützow. Um 1420 gehörten
die Heideberge zum Besitzt derer von Knoblauch
als Bardelebensche Meierei, nach der Familie
der Bardelebens, die das Gebiet um Selbelang
zwischen 1412 und 1833 beherrschten. Am
30. April 1833 erhielt der Besitz den
Namen Paulinenaue, zu Ehren der Pauline
von Bardeleben, die den Pessiner Gutsbesitzer
von Knoblauch ehelichte.
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Die evangelische
Kirche, ein Zweckbau
aus den 30er Jahren
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Von der Landwirtschaft dominiert, besonders
der Milchviehhaltung, erlebte der Ort
mit seinen nur 115 Einwohnern durch den
Bau der Eisenbahnstrecke Berlin-Hamburg
einen ungeheuren Aufschwung. Am 15. Oktober
1846 fuhr der erste Zug durch Paulinenaue.
Die ersten Häuser der Bahnangestellten
entstanden und als die private Bahn Paulinenaue-Neuruppin
durchs Luch in Betrieb genommen wurde,
war Paulinenaue Umsteigebahnhof und Um-schlagplatz
für Waren aller Art nach Berlin.
Berühmt wurde Paulinenaue in aller
Welt durch einen spektakulären Rekord:
Am 11. Mai 1936 fuhr ein Zug mit der Dampflok
05002 zwischen Vietznitz und Paulinenaue
200,4 km/h. In 24 Stunden verkehrten 190
Züge auf der Strecke, darunter auch
der "Fliegende Hamburger". Verdienstvoll
für den wirtschaftliche Aufschwung
war das Wirken der Familie Werner, die
aus Werder kam und 1901 den Obst-, Erdbeer-
und Spargel-anbau einführte. Max
Schmeling kam in den 30er Jahren gern
nach Paulinenaue zum Tontaubenschießen.
Auch der Name des Berliner Chemieprofessors
Johannes Goldschmidt ist mit Paulinenaue
verbunden. In seiner Werkstatt in der
Ruppiner Straße 9 entwickelte er
das Thermitverbundschweißen, mit
dem heute noch Bahnschienen verschweißt
werden. Zu den vielen Besitzer des Gutes
Paulinenaue gehörte seit 1924 auch
ein Dr. Schurig, ein fortschrittlicher
Landwirt, der für den intensiven
Gemüseanbau Flächen beregnete,
recht erfolgreich Rinderproduktion, Schweinemast
und Geflügelproduktion betrieb.
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Die kleine denkmalgeschützte
Selbelanger Kirche St. Nicolai
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Das unbeschädigte Gut übernahm
nach Ende des 2. Weltkrieges die Rote
Armee zur Versorgung ihrer Soldaten. Die
Kriegswirren verschlugen den bekannten
Bodenkundler Professor Mitscherlich nach
Paulinenaue. Er wurde 1949 Direktor des
neuen Akademie-Institutes zur Steigerung
der Pflanzenproduktion. Heute wohnen 1.328
Einwohner in Paulinenaue und im Ortsteil
Selbelang am Rande des Niedermoores, in
dem Großtrappen, Beutelmeise und
Rohrweihe zu Hause sind. Nicht weniger
interessant ist das Lindenholz, der unter
Naturschutz stehende Laubwaldpark des
Ortes. Ein Naturlehrpfad weist auf die
botanischen Raritäten hin, auf die
grünliche Waldhyazinthe und das Große
Zweiblatt inmitten der Schlüsselblumen,
Maiglöckchen und Leberblümchen.
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Ein
altes Bahnwärterhaus
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Die Siedlung Bienenfarm weist vielleicht
auf frühere Imker hin, heute heben
von dem kleinen Flugplatz ganz andere
Brummer ab. Zur Gemeinde Paulinen-aue
gehört das Dorf Selbelang, ebenfalls
am Havelland-Radwanderweg. Sein Name hat
nichts mit der Teufelssage zu tun und
ist slawischen Ursprungs, der auf Schildkröten
und Sumpf hinweist, die ja noch bis ins
19. Jahrhundert hier anzutreffen waren.
Aus "suluelanc" 1335 wurde 1541
Selvelank. Der Ort beherbergt das Schloss
des einstigen Rittergutes, dessen Brennerei,
die heute von der Märkischen Hof
GbR betrieben wird, zu DDR-Zeiten mit
der Marke "Bärensiegel"
verbunden war. Die Märkische Hof
GbR, ein Nachfolger des VEG, betreibt
im Ort Rinderzucht. Die Stallgülle
sowie Abfälle aus der Brennerei werden
in einer modernen Biogasanlage verarbeitet.
Ein Futtermittelwerk im Ort steht für
fortschrittliche Technologien und das
Berufsausbildungszentrum schult auch Spezialisten
für Osteuropa. Besonders sehenswert
ist die um 1440 erbaute denkmalgeschützte
St. Nicolai Kirche mit einem Altar von
1717 und einer Orgel von 1804. Engagierte
Bürger sammeln für ihren Erhalt
und Reparaturen, zeigt doch die Außenwand
bedrohliche Risse.
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Schön
restauriertes Bürgerhaus
in Paulinenaue
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Das
Schloss von Selbelang
versteckt sich in einem Park
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