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Die Fassade des
altehrwürdigen Humboldt-Gymnasiums
ist so reizvoll wie die Geschichte
des Gebäudes selber
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Manches Detail
wird erst auf den zweiten Blick
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Altehrwürdige, ausladende Eichen,
einladende Parktaschen, wunderbare Architektur
aus den Gründerjahren, ostalgische
Baustil-Überbleibsel und moderne
Fassaden - die Bahnhofstraße, Eichwaldes
Boulevard, bietet alles. Quasi mitten
im Zentrum erstrahlt das Humboldt-Gymnasium
seit sieben Jahren wieder in völlig
neuem Glanz. Hinter Schülern und
Lehrern liegen jedoch nicht nur anstrengende
Jahre intensiven Baugeschehens, sondern
vor allem eine äußerst spannende
Schulgeschichte. Sieglinde Fett, die resolute
Deutsch- und Geschichtslehrerin, leitet
seit einigen Jahren schon die Arbeitsgemeinschaft
Schulchronik. Die mitforschenden Schüler
können die Motivation ihrer Lehrerin
mittlerweile gut nachvollziehen. "Mich
treibt in erster Linie die Neugierde",
begründet die 59jährige ihr
Engagement. "Was wir beim Stöbern
in Archiven und alten Aufzeichnungen herausfinden,
kann wunderbar im Unterricht eingebaut
werden." So wird Geschichte lebendiger,
bekommen Ereignisse oder Personen aus
längst vergangener Zeit einen direkten
Bezug. "Uns stockte schon der Atem,
als wir beispielsweise Feldpostbriefe
aus dem Ersten Weltkrieg fanden. Briefe,
die ein ehemaliger Schüler an den
damaligen Direktor geschrieben hatte.
Die vielen Gefallenen bekamen plötzlich
ein konkretes Gesicht." Nur aus Büchern
bekannte Fakten wurden ebenso anschaulich,
als die Geschichts-Freaks ein Schreiben
von Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels
entdeckten. Darin riet er den Schulen,
Friedrich Schillers volkstümliches
Schauspiel "Wilhelm Tell" nicht
mehr zu behandeln. Doch mindestens genauso
spannend wie die Geschichten aus der Geschichte
ist die Geschichte des Gebäudes selber.
Angefangen hat alles im November 1894.
Eichwalde war gerade ein Jahr alt. Die
Kinder von Fabrikherren und Bankiers,
die aus Berlin hierher in ihre Villen
mit Gärten gezogen waren, erhielten
Unterricht in einem solchen Privathaus.
Das wurde jedoch schnell zu eng. Und so
stimmte Eichwaldes Gemeinderat 1898 dem
Neubau einer Schule zu, nachdem sich die
Lehrer massiv beim Schulinspektor über
die unhaltbaren Zustände in der Schule
beschwert hatten. Der Grundsteinlegung
am 28.1.1899 folgte nur neun Monate später
am 31.10.1899 die Einweihung der Gemeindeschule
von Eichwalde. Damit war die Lehranstalt
das erste öffentliche Gebäude
im Ort. Die Architektur ist typisch für
den Baustil der Jahrhundertwende: eine
verwirrende Vielfalt architektonischer
Details, Säulen, verschiedene Bogenformen,
Pilaster, Schmuckfriese und Gesimse. In
Eichwaldes "Schulpalast" wollten
jedoch immer mehr Kinder auch aus der
Umgebung lernen, so dass schon 1905 angebaut
werden musste. 20 Jahre später (mittlerweile
war 1924 auch die bereits 1909 projektierte
Turnhalle fertig gestellt worden) wurde
die nächste Vergrößerung
in Angriff genommen. Feierliche Einweihung
dieses so ge-nannten Schulerweiterungsneubaus
mit seinen klaren Architektur- und geometrischen
Bauformen war drei Jahre später am
29.03.1928. Seitdem musste die Gestalt
des Schulgebäudes nicht mehr verändert
werden. Hinter den dicken Backsteinwänden
vollzogen sich in den Jahren jedoch einige
Um-wandlungen. Seit 1929 als höhere
Schule anerkannt, wurde bis 1956 das Abitur
abgenommen. Danach zog die Zehnklassige
Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule
ein. Erst nach der Wende hatten Eltern
und Lehrer Erfolg mit ihrer Forderung
nach Wiederherstellung des Gymnasiums.
Allerdings waren erst dringende Sanierungsarbeiten
nötig. Der Zahn der Zeit hatte an
Innen- und Außenhaut kräftig
genagt, die Spuren des Dachstuhlbrandes
von 1981 mussten endlich gründlich
beseitigt werden. Und so wurde das Haus
in drei Bauetappen bei laufendem Schulbetrieb
fast drei Jahre lang weitestgehend denkmalsgerecht
generalüberholt. "Wasser- und
Abwasserrohre samt Toiletten sind neu,
Heizungsanlage und Elektroleitungen wurden
erneuert und auch die Fassade ist saniert",
konstatiert Edwina Reise, die stellvertretende
Schulleiterin nicht ohne Stolz. Seit sieben
Jahren nunmehr lernen und lehren die 620
Schüler und 42 Lehrer also in ihrem
wunderbar rekonstruierten, altehrwürdigen
und vor allem geschichts- und geschichtenträchtigen
Humboldt-Gymnasium.
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