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"Wenn wir ausgerechnet nach Taucha
ziehen, muss es wirklich gute Gründe
dafür geben", sagte Herr Meier
bestimmt, als sich die Erkundungs-Stadtrundfahrt
dem Ende näherte.
"Wir könnten ja sonst auch in
eine andere Stadt rund um Leipzig gehen."
Sprach's und fuhr den PKW mit Schwung
auf den Marktplatz, wo er routiniert einparkte.
Das Sommerwetter war sonnig und mild,
die Stadt Taucha strahlte an diesem Nachmittag
Gelassenheit und Ruhe aus. Gestern steppte
hier der Bär, denn wie jeden Mittwoch
war Markttag - natürlich auf dem
Marktplatz. Ansonsten ist der Markt auch
als Parkplatz nutzbar, was für Einwohner
wie Touristen gleichermaßen praktisch
ist, wenn sie mal schnell in die City
wollen. Die vorgeschriebene Parkscheibe
verhindert Dauerparker.
Familie Meier pellte sich nach und nach
aus dem Wagen. Frau Meier, die nicht sicher
war, ob sie bei der Sonne nun den Blazer
anziehen sollte oder nicht, die halbwüchsige
Yvonne, die peinlich genau darauf achtete,
dass ihr Bauchnabelpiercing auch zu sehen
war, und der kleine Tim, der wieder zu
maulen begann: "Wenn wir wegziehen,
seh´ ich ja meine Kumpels gar nicht
mehr. Was soll denn hier besser sein als
in Leipzig?
"Das wollen wir ja gerade erkunden",
schnitt Frau Meier dem aufgeweckten Vorschüler
das Wort ab. "Du hast doch gesehen,
dass es hier alles gibt, was wir brauchen.
In der neuen Mehrzweckhalle ist oft etwas
los, das Stadtbad hast du gleich vor der
Nase, und der Stadtpark ist doch wirklich
schön! Am Sonnabend hat auch der
Aussichtsturm geöffnet, von oben
können wir fast bis nach Hause gucken.
Wenn wir unser neues Häuschen in
dem schönen Wohngebiet bauen, in
dem wir gerade waren, ist deine Kita nicht
weit, und nächstes Jahr die Grundschule
auch nicht. Und Yvonne geht ja ins Gymnasium,
das sind auch nur ein paar Minuten mit
dem Rad."
"Da kommst du später auch hin,
Timmi, wenn du mal größer bist",
stimmte der Teeny cool zu und schob sich
anmutig die Sonnebrille aufs Haar und
einen Kaugummi in den Mund. "Ich
kann hier jedenfalls meinen Sport machen,
im AC 1990 gibt es eine Abteilung Sportgymnastik.
Da hatte ich es in Leipzig weiter. Und
die hier sollen sogar noch besser sein.
Aber du, Papa, kannst hier Fußball
spielen. Die SG Taucha 99 hat eine total
fitte Alte-Herren-Mannschaft!"
"Taucha hat auch ein erstklassiges
DRK-Altenpflegeheim!", konterte Herr
Meier verschmitzt. "Aber im Ernst,
dieser Fußballverein ist Klasse,
das wäre vielleicht auch was für
dich, Yvonne. Es gibt nämlich auch
eine Mädchenmannschaft. Und weil
der Verein und das Sportzentrum an der
Kriekauer Straße, in dem er zu Hause
ist, so gut sind, fand hier sogar das
Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft
der Frauen zwischen Deutschland und Italien
statt."
"Ich denke, du fliegst so gern?"fragte
Frau Meier spitz.
"Stimmt, das ist ein alter Kindheitstraum
von mir." Herr Meier wies in Richtung
Nordosten. "Die haben hier sogar
einen Flugplatz. Vielleicht werde ich
Mitglied beim Fliegerclub. Mal mit einem
Segelflugzeug übers Land fliegen,
wäre das nicht traumhaft?" Er
begann das Lied "Über den Wolken"
zu pfeifen und schaute sehnsüchtig
zum Himmel. Dabei fiel sein Blick zufällig
auf ein Transparent an einem Haus vis
á vis vom Marktplatz neben dem
chinesischen Restaurant. "Guckt mal,
Kinder, was da steht: 'Schülerhilfe
e.V.' Das ist prima, da könnt ihr
hingehen und Schulaufgaben machen."
"Sehr witzig", stöhnte
Yvonne ab. "Erstens geht Tim noch
gar nicht zur Schule und zweitens: vielleicht
sollte ich das tun, denn wenn ich euch
was frage, wisst ihr es ja sowieso nicht."
Das war hart, aber nicht ganz falsch.
Schließlich war die Tochter schon
in der neunten Klasse.
Die Familie fiel kurzzeitig in dumpfes
Brüten und schlenderte gemächlich
die Leipziger Straße hinunter zum
kleinen Schöppenteich, der am Rand
des Parks an der Parthe malerisch in der
Sonne lag und auf dem sich dutzende putzige
Entchen sorglos tummelten.
Die Stadtrundfahrt hatte sie schon beeindruckt.
Der Arbeitsweg für die Eltern wird
kaum länger vorher sein und die Verkehrsanbindung
ist ideal. Plötzlich standen sie
an der Hauptstraße. "Das hier
ist die Bundesstraße 87, die von
Leipzig über Taucha nach Eilenburg
und Torgau führt. Damit nicht der
gesamte Autoverkehr durch die Stadtmitte
rollt, wurde um Taucha herum eine Umgehungsstraße
gebaut. So ist es im Zentrum angenehm
ruhig und sauber. Schließlich ist
Taucha ja eine ökologische Modellstadt."
Er wies in Richtung Leipzig. "Von
hier sind es keine zwei Kilometer bis
zur Autobahn-Anschlussstelle Leipzig-Nordost,
und unmittelbar dahinter steht ja schon
das Ortseingangsschild von Leipzig. In
25 Minuten ist man am Hauptbahnhof und
wohnt trotzdem im Grünen."
Familie Meier näherte sich langsam
wieder dem Marktplatz, vorbei am schmucken
Rathaus. Der Stadtbus mit der Aufschrift
"Der Tauchsche" brummte vorbei.
Kurz vor der imposanten und traditionsreichen
St.Moritz-Kirche mussten sie die Straßenseite
wechseln, weil das Fernsehen hier mit
einer Gruppe Kinder-Darsteller drehte.
Neugierig blieben viele Leute stehen,
und die Meiers erfuhren, dass hier neue
Folgen "Wie erziehe ich meine Eltern?"
für den Kinderkanal gedreht wurden.
Nach einer kurzen Action-Szene bauten
die Techniker für die nächste
Einstellung um, und Familie Meier spazierte
weiter. Als sie in der Eilenburger Straße
an der Eisdiele vorbei kamen, kamen sie
eben nicht vorbei und gönnten sich
eine leckere Erfrischung.
"Also die Infrastruktur stimmt",
fasste das Familienoberhaupt sachlich
zusammen. "Was spricht eigentlich
noch gegen den Umzug nach Taucha?"
Schweigend schleckten alle ihr Eis. Das
Eis war gebrochen.
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