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Weit schaut der
1781 erbaute Turm von St. Moritz
ins Land, weit wie der Geist des
streitbaren Propstes und Poeten
Paul Gerhardt
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Er lebte nur sechs Jahre in Mittenwalde,
der Liederdichter und Probst Paul Gerhardt,
und dennoch ist er in seinem Wirken bis
in unsere Tage unvergessen. Im März
2007 jährte sich sein 400. Geburtstag,
Anlass für die Bürger der Stadt,
ihm das Jahr mit vielfältigen kulturellen
und geistlichen Ereignissen zu würdigen.
Zu den Mittenwalder Predigten reisen Pastoren
selbst aus Amerika an, seine Lieder bestimmen
die Kirchenmusiken ausgezeichneter Interpreten
und Ausstellungen erinnern an Werk und
Ausstrahlung des ersten Ehrenbürgers
von Mittenwalde.
Als Probst Paul Gerhardt sein Amt als
Pfarrer für die elf Kirchengemeinden
in und um Mittenwalde antrat, lagen die
einst blühende Stadt und Dörfer
nach dem Dreißigjährigem Krieg
in Schutt und Asche. Hungersnot und Pest,
Ausplünderung, Mord, Vertreibung
und Brandschatzung dezimierten die einst
1.240 Einwohner auf nur noch 200 Überlebende.
Und in diese Armut und Hoffnungslosigkeit
trat Paul Gerhardt 1651 sein erstes selbständiges
Amt für Mittenwalde und die umliegenden
Dörfer an, das auch wegen angespannter
Beziehungen der Ratsherren zur Pfarre
einer Geißel Gottes glich. Er selbst
aber von Schicksalschlägen betroffen,
so starb seine Tochter Marie nicht einmal
ein Jahr alt und seine Frau Anna Marie
wurde gemütskrank, schaffte es der
bescheidene Gottesmann, den Leuten dennoch
Mut und Zuversicht zu vermitteln.
Und neben seinen Predigten schloss er
die Herzen der Verzweifelten, der einfachen
Menschen, die oft weder lesen noch schreiben
konnten, mit seinen volkstümlichen
Liedern auf.
"Der Tag ist nun vergangen, die güldnen
Sternlein prangen am blauen Himmelszelt"
ist ebenso Bestandteil der Weltkultur,
wie "Nun ruhen alle Wälder"
oder "Geh' aus mein Herz, und suche
Freud." In einem Brief an eine Freundin
bekundete der märkische Dichter Theodor
Fontane später seine tiefe Verehrung
in dem er schrieb, dass eine einzige Strophe
von Paul Gerhardt mehr wert sei als dreitausend
Ministerialskripte.
Doch die höchste Anerkennung erfährt
der Probst aus Mittenwalde, dass viele
seiner Schöpfungen bis heute im Volk
lebendig und selbst in den neuesten Kirchengesangsbüchern
wie in der Bachschen Matthäuspassion
enthalten sind. Waren die sechs Mittenwalder
Jahre auch die schwersten im Leben des
neben Martin Luther bedeutendsten geistliche
Poeten seiner Zeit, so entsprangen hier
seinem Herzen und seiner Feder doch die
meisten seiner 137 deutschen Lieder und
Gedichte.
Ein lebensgroßes Porträt des
ersten Mittenwalder Ehrenbürgers,
der in der Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben,
seiner letzten Wirkungsstätte begraben
ist, befindet sich auch in der Mittenwalder
Kirche St. Moritz. Er schaut, wie Thomas
Mann empfand, jeden Betrachter mit Augen
an, die "mit einem seltsamen Ausdruck
von Milde und Wissen" in die Welt
schauen.
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