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Konferenz
der Ministerpräsidenten der
Bundesländer
in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz.
Uwe Barschel ist der Zweite von
links
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Sonntag, 11. Oktober 1987: Zwei Journalisten
des "Stern" wussten, dass der
ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein,
Uwe Barschel, aus Gran Canaria kommend
Zwischenstation auf dem Flug nach Hamburg
in Genf machte. Am Vorabend angereist
und im Hotel Beau Rivage eingecheckt,
warten sie zur Frühstückszeit
auf das Erscheinen von Uwe Barschel. Es
wird gegen Mittag, doch Barschel kommt
nicht, obwohl doch sein Flug nach Hamburg,
um am folgenden Tag vor dem Untersuchungsausschuss
des Kieler Landtages in der Barschel-Pfeiffer-Affäre
auszusagen, bald fällig sein würde.
Barschel war am Vortag mit Flug 554 pünktlich
um 15.10 Uhr in Genf gelandet und er besaß
ein Ticket für einen Flug nach Hamburg
knapp 24 Stunden später. Es wird
zwölf Uhr und der Reporter Sebastian
Knauer beschließt, zu Barschels
Zimmer 317 gehen. Er betritt das Zimmer,
welches nicht verschlossen war und einen
"Bitte nicht stören!" Aufhänger
draußen hatte. Vorher hatte er angeklopft
und Laut gegeben. Sein Kollege steht Schmiere
auf dem Gang. Im Zimmer ist niemand. Ein
Schlafanzug liegt unbenutzt auf dem Bett
und ein Buch mit den gesammelten Erzählungen
von Sartre. Auf dem Nachttisch liegen
Notizen und ein Telex, welche der Reporter
von seinem Kollegen ablichten lässt.
Dann verlässt er das Hotelzimmer.
Um 12.43 Uhr geht er mit einer kleinen
Kamera erneut in Zimmer 317. Er öffnet
die Badezimmertür. Ein toter Uwe
Barschel liegt bekleidet in der Badewanne.
Knauer fotografiert den Toten. Dann macht
er Fotos im Schlafzimmer. Erst danach
informiert er die Hotelleitung. Mehr als
eine halbe Stunde vergeht, bis der erste
Polizist Zimmer 317 betritt.
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Hotel
Beau Rivage war die letzte Station
seiner Reise
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Er stellt den Tod Uwe Barschels fest und
holt die Mordkommission. Im Badezimmer steht
ein Weinglas auf dem Waschbecken. Im Papierkorb
liegen eine kleine, leere Flasche Whiskey
aus der Minibar, die Plastikverpackung des
Zahnputzbechers und ein zerbrochenes Weinglas.
Am Tag nach dem Fund der Leiche sagte der
Zimmerkellner der Polizei, am 10. Oktober
etwa gegen 18.30 Uhr habe er für Zimmer
317 eine Flasche Beaujolais Le Chat Botté
gebracht. Die Flasche Rotwein wird nie gefunden.
Die Whiskeyflasche auf dem Badezimmertisch
ist mit Wasser ausgespült worden. In
Barschels Magen befindet sich aber kein
Alkohol. Dafür reichlich Chemie: zwei
Beruhigungsmittel, ein Brechreizunterdrücker
und tödliche Mengen eines Schlafmittels.
Auf dem Badevorleger sind Schleifspuren
zu erkennen. Ebenfalls im Badezimmer: der
zweite Schuh, durchnässt und geöffnet.
Der andere Schuh liegt vor der Badezimmertür,
daneben ein abgerissener Hemdknopf. Die
Ermittler finden keine Fingerabdrücke
-alles ist abgewischt. Die Merkmale sprechen
für eine Fremdeinwirkung. Die Schweizer
Ermittler aber legen sich schnell auf Selbstmord
fest. Der Münchner Toxikologe Ludwig
von Meyer findet später bei einer Nachuntersuchung
den Wirkstoff Methyprylon, ein Mittel, das
sich in der kriminellen Szene großer
Beliebtheit als K.o.-Tropfen erfreut. Meyer
räumt ein, der Befund sei "grundsätzlich
geeignet", die Mordtheorie zu stützen.
Die vier chemischen Substanzen, die zu seinem
Ende geführt hatten, waren nicht gleichzeitig
aufgenommen worden. Einig sind sich alle
Experten, dass Barschel an einer schweren
Medikamentenvergiftung gestorben ist. Wie
starb Uwe Barschel und warum? Die spektakulärste
Affäre der deutschen Nachkriegsgeschichte
ist auch nach 23 Jahren noch ungeklärt.
Wen wollte er in Genf treffen? Viele Aspekte
könnten eine Rolle spielen: Die Barschel-Pfeiffer-Affäre,
die später zur Engholm-Affäre
wurde. Sein Rücktritt und der baldige
Untersuchungsausschuss in Kiel. Später
kamen Erkenntnisse und Vermutungen über
Waffenhandel mit dem Iran, Geheimdienstverbindungen
zum Mossad, BND und MfS hinzu, deren Agenten
auch zur Todeszeit in Genf vertreten waren.
19 Reisen Barschels in die DDR waren später
in Stasi-Unterlagen verzeichnet. Barschel,
so wird von Zeugen berichtet, sei oft Gast
im Hotel "Neptun" in Warnemünde
gewesen. Barschel war trotz seiner CDU-Politikausrichtung
ein gern gesehener Gast in der DDR. Die
Grenze konnte er ohne Kontrolle passieren,
im Hotel "Neptun" übernachtete
er laut Stasi-Unterlagen sogar ohne Meldeschein.
Was hat das mit Glienicke/Nordbahn zu tun?
Uwe Barschel wurde am 13. Mai 1944 in Glienicke/Nordbahn
in der Veltheimstraße 82 (heute Breitscheidstraße)
geboren. Wahrscheinlich eine Hausgeburt,
denn sonst wäre der Dominikus Stift
in Hermsdorf der Geburtsort gewesen, wie
es bei vielen Glienickern der Fall war.
Der Vater wurde im Frühjahr 1945 bei
den Kämpfen um Berlin vermisst und
gilt als verschollen. Die Mutter floh 1945
nach Hamburg und lebte mit ihren Kindern
und den Großeltern in einem Flüchtlingslager.
Abitur, Studium und Parteikarriere bis hin
zum Ministerpräsidenten inklusive Scheitern
- dies sind Stationen auf dem Weg nach Genf
ins Hotel Beau Rivage. Dort war übrigens
am 10. September 1898 schon eine Prominente
gestorben: Elisabeth, Kaiserin von Österreich
und Königin von Ungarn, verblutete
nach einem Attentat im Foyer des Hotels.
Hierzulande kennt man sie als Sissi - oder
besser gesagt als Romy Schneider.
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Kirchenportal
der Glienicker Kirche - in ihr wurde
Barschel vermutlich getauft
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Barschel war dem Tod schon einmal von
der Schippe gesprungen: am 31. Mai 1987,
überlebt der Ministerpräsident
als einziger Passagier den Absturz einer
Cessna, die bei schlechter Sicht den Flughafen
Lübeck-Blankensee anflog und dabei
gegen einen Sendemast prallte. Er lag
viele Wochen im Krankenhaus. Die beiden
Piloten starben sofort, sein Leibwächter
einige Tage später. Der mysteriöse
Tod des Uwe Barschel und die folgenden
Untersuchungen haben mehr offene Fragen
hinterlassen als Antworten. So traurig
das Resultat sein mag, eine konspirative
Inszenierung war gelungen, von wem auch
immer arrangiert.
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