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Gründlich
bereitet sich der "Nachtwächter"
auf jeden Stadtrundgang
mit Gästen vor
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Er hat den
Stadtausrufer von Altlandsberg
noch erlebt, Oskar Leinweber,
der nun zum Symbol des Städtchens
im 775. Jahr seit der Gründung
wurde. Als Nachtwächter, ein
Amt, das es bis 1945 noch
gab, versammelt der bärtige
Frührentner nun mittwochs
und sonntags in der Dämmerung
eine interessierte Runde um
sich, wenn er angetan mit
Hellebarde und der Laterne
vor der evangelischen Kirche
ruft: "Hört, ihr Herren, laßt
euch sagen, vom Turm die Glock
hat neun geschlagen!" Das
zu dieser Zeit etwas schlafmützige
Städtchen wird lebendig wenn
er loszieht. Nicht mehr um
Laternen anzuzünden, Feuerstellen
zu kontrollieren oder ob die
Hoftore verschlossen sind,
sondern um im Auftrag des
Festkomitees bei seinem Rundgang
lustige, kuriose und erbauliche
Schnurren aus der Stadtgeschichte
zum Besten zu geben, nicht
ohne manchen schelmischen
Bezug auf unsere Tage. Dazu
studiert der einstige KFZ-Schlosser,
der seit 1952 in Altlandsberg
lebt, die Stadtchronik, sichtet
Archivmaterialien und sammelt
Nachtwächtergeschichten aus
dem ganzen Lande. "Weil mir
die Sache Spaß macht, nehme
ich sie ernst!", sagt der
Nachtwächter ehrenhalber.
Weit dröhnt der Bass des Vorsitzenden
des Dekanatsrates des Dekanats
Fürstenwalde, das sich von
der Oder bis nach Berlin erstreckt,
durch die engen Gassen und
verkündet die nächsten Höhepunkte
bis zu den Feierlichkeiten
Anfang September. Seine Rundgänge
haben sich über die Nachbarorte
bis nach Berlin herumgesprochen
und auch heimatverbundene
Einheimische warten ungeduldig
auf die nächste Nachtwächterstunde.
Und wenn die Nachtwächterzeit
zu Ende ist, dann hat Oskar
Leinweber wieder etwas mehr
Zeit für seine Frau und die
vier schon großen Kinder,
für die Gemeindemitglieder
von St. Georg, in der er Küsterarbeiten
übernommen hat und der gute
Geist ist.
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