Der
bekannte "Dichter der Mark" Theodor
Fontane unternahm in den Jahren
1862 bis 1882 umfangreiche Reisen.
Literarisches Ergebnis ist unter
anderem die vierbändige Ausgabe
seiner "Wanderungen durch die Mark
Brandenburg". Hier schildert er
mit viel Liebe und einem Auge für
Details die Landschaft, interessante
Bauwerke und die Menschen. Die Mark
Brandenburg wird ja auch als Streusandbüchse
bezeichnet und bietet angeblich
nicht viel Spektakuläres.
Durch seine Veröffentlichungen weckte
er das Interesse an dieser Landschaft
und ihrer Geschichte und richtete
den Blick auf vermeintlich Nebensächliches.
Das berühmte und von Schülergenerationen
gelernte Gedicht, des Herrn von
Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
entstand so bei einem Besuch in
der Gemeinde Ribbeck. Gemeint ist
hier wahrscheinlich der Rittergutsbesitzer
Hans Georg Carl Friedrich Ernst
von Ribbeck. Dieser galt als sehr
kinderfreundlich und beschenkte
die Kinder des Dorfes mit den "goldgelben
Birnen".
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Herr von
Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und
breit,
Da stopfte, wenn`s Mittag vom Turme
scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen
voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wiste `ne
Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief
er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb `ne
Birn."
So ging es viele Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben
kam,
Er fühlte sein Ende. ´s
war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und
breit;
Da sagte von Ribbeck: "Ich
scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus.
Alle Bauern und Büdner mit
Feiergesicht
Sangen "Jesus meine Zuversicht."
Und die Kinder klagten, das Herze
schwer,
"He is dod nu. Wer giwt uns
nu `ne Beer?"
So
klagten die Kinder. Das war nicht
recht,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck
schlecht;
Der neue freilich, der knausert
und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge
verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtrauen gegen den
eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals
er tat,
Als um eine Birn ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen
Haus
Ein Birnbaumsprößling
sproßt heraus.
Und die
Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein
Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet`s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung übern Kirchhof
her,
So flüstert`s im Baume: "Wiste
`ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert`s:
"Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew di
`ne Birn."
So spendet
Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Theodor
Fontane
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