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Er schreibt an der Chronik seiner Familie, der Hennigsdorfer Manfred Kasokat, und hat bereits die Jahre 1689 – 1978 abgeschlossen, 900 Seiten. Ein ganz wichtiges Kapitel ist schon angerissen worden, der Bau der Mauer, die die Architekten des Grauens errichteten, eine Stadt spaltend, ein Land, eine Nation und Millionen Familien. Der Diplom-Ingenieur für Klebetechnik, am Bau des ersten deutschen Düsenverkehrsflugzeug der DDR, der B 152 beteiligt, kam 1957 ins Stahl- und Walzwerk und wohnte in Stolpe Süd, das bald eingemauert wurde. Vorbei war es mit den besuchen bei der Großmutter in Tegel oder den Freunden in Weidmannslust. Er erlebte das Auffahren von Propaganda-Wagen der DDR-Grenzer und Gegendemonstrationen erbitterter Jugendlicher aus Westberlin. Er wurde festgenommen, in Filzlatschen, weil er im Grenzgebiet ohne Ausweis 30 Meter von seinem Haus entfernt unterwegs war. Das wird in der Chronik anschaulich seinen Platz finden, um seinen Kindern und Enkeln zu vermitteln, wie es war, damals. Auch dass dieser Grenzer, der ihn festnahm, der gefeierte „Held“ am am 13. August 1961, noch bevor Stacheldraht und Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“ ganz undurchlässig wurden, als erster in den Westen abgehauen ist.
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Kasokat, der wache Zeitzeuge, der stets darauf Wert legte, dass im DDR-Personalausweis unter Geburtsort Berlin-Reinickendorf stand, ihn überraschte der Mauerfall wie die Agenten des BND oder die westlichen Politiker. Er sah so nebenbei die Pressekonferenz im DDR-Fernsehen, als Schabowski die Reisefreiheit verkündete. „Mir war nicht klar, ob ich richtig gehört hatte“, erinnert sich Manfred Kasokat. Er sagte seiner Frau, die gerade badete, dass die Mauer weg war. Sie sagte nur, er spinne. Dann schaltete er um und als die ARD das Programm unterbrach, da wusste er, dass er nicht träumte.
Schon einen Tag später am Nachmittag rollte er mit seinem Wartburg, auf den er 17 Jahre gewartet hatte, über den Grenzübergang Stolpe. Aus dem Schiebedach wehte die Fahne mit dem Berliner Bären. Er wurde stürmisch von den Westberlinern begrüßt, zu Kaffee und Kuchen eingeladen, sprach mit Momper, Westberlins Bürgermeister mit dem roten Schal. Kasokat war am 5. Dezember 1989 einer der Mitbegründer des Ortsvereins Hennigsdorf der SDP. Es ging hoch her in der Gaststätte „Gambrinus“, denn die Stasi saß mit am Tisch und Provokateure, es flogen Beleidigungen und Biergläser, aber das ist eine andere Seite der Chronik |
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