Herr
Andreas Schulz, seit 1990 sind Sie Bürgermeister,
sind Sie nicht amtsmüde?
Ich denke und hoffe nicht. Man hat sicherlich
viel Erfahrung nach 17 Jahren. Aber von
Müdigkeit keine Spur.
Wie erklären Sie sich, dass Ihnen
die Bürger immer wieder das Vertrauen
aussprechen?
Mit 29 Jahren und bis dahin als Diplomingenieur
für Informationstechnik tätig,
zum Bürgermeister gewählt zu
werden, war eine Herausforderung. Über
die Jahre ist durch gute Arbeit in Verwaltung
und Stadtverordnetenversammlung gelungen,
Hennigsdorf zu einer liebens- und lebenswerten
Stadt zu entwickeln. Zu einem Wirtschafts-
und Technologiestandort vor den Toren
Berlins, der seine Potentiale nutzt. Vielleicht
deshalb wählten mich die Bürger
1993 und 2001 erneut, für mich ein
Vertrauensbeweis und Ansporn.
Zu Amtsbeginn waren Sie einer der
jüngsten, heute sind Sie einer der
dienstältesten Bürgermeister.
Wie hält man sich fit für das
anspruchvolle Amt?
Das Amt selbst hält einen schon
fit und in Bewegung. Anlässlich des
100. Jubiläums unseres Alten Rathauses
stellte ich übrigens fest, dass ich
seit dem ersten hauptamtlichen Bürgermeister
1907 der Dienstälteste bin. Wenn
die Bürger es wollen, will ich das
Amt gern weiter ausüben.
Was charakterisiert Hennigsdorf 2007?
Mit einer Vielzahl von Investitionen
seit der Wende haben wir die verkehrliche
, soziale und kulturelle Infrastruktur
entwickelt, ein Zentrum neu gebaut, fast
alle Gebäude saniert. Es ist gelungen,
den Strukturwandel in der Wirtschaft erfolgreich
zu gestalten. Beide Großunternehmen,
Bombardier und das RIVA-Stahlwerk entwickeln
sich positiv. Mit der Biotechnologie kam
eine neue Branche in die Stadt, mit insgesamt
400 Arbeitsplätzen und einer Vielzahl
von neuen Unternehmen.
Welche Vorteile bietet Hennigsdorf
für Investoren?
Da ist zuerst die Lage am Rand Berlins
mit einer optimalen Verkehrsanbindung,
ob Schiene, Wasser, Autobahn oder Straße.
Wir bieten industrielle und technologische
Traditionen sowie ein Potential an Facharbeitskräften.
Berlin ist nah als Hochschulstandort und
als Arbeitsplatz für eine große
Zahl von Pendlern.
Die Berlinnähe ist Chance, andererseits
ist doch die Hauptstadt ein Konkurrent,
oder?
Wir profitieren davon, dass sich viele
Unternehmen aus der Großstadt herausbewegen,
die andere Entwicklungsmöglichkeiten
hat. Das ist eine große Chance.
Die Konkurrenz ist durchaus positiv. Wir
profitieren von allem, was Berlin bietet,
an Kultur, Einzelhandel, Wissenschaft
und Bildung, zu der wir als Stadt mit
26.000 Einwohnern nicht das Potential
haben. Wir gehören zu Brandenburg,
sind stolze und selbstbewusste Brandenburger.
Andererseits haben wir mit der S-Bahn
eine Anbindung ans Berliner Zentrum, besser
als von manchen Teilen der Hauptstadt.
Die S-Bahn jedoch, fährt in zwei
Richtungen. Das ist nicht unkritisch,
für die Entwicklung unseres Stadtzentrums.
Man kann jedoch nicht nur die Vorteile
nutzen und die Nachteile beklagen.
Viel hat sich in Hennigsdorf schon
verändert. Wo setzen Sie heute die
Prioritäten?
Wir stellen gerade ein integriertes Stadtentwicklungskonzept
mit Schlüsselmaßnahmen bis
2020
auf, beginnen, es mit den Stadtverordneten
und den Bürgern zu diskutieren. Bis
2010 wollen wir die letzten Industriebrachen
abreißen und dort neue Gewerbeflächen
entwickeln. Ein zweites Vorhaben ist der
Rathenau-Campus, die Erweiterung der Biotechnologie,
die sich hier erfolgreich entwickelt.
Drittens steht die Verbesserung der Energie-
und Fernwärmeversorgung an. 80 Prozent
der Hennigsdorfer erhalten schon Fernwärme.
Zum, aktiven Umwelt- und Immissionsschutz,
auch weil die Preise für fossile
Brennstoffe explodieren, wollen wir ein
Heizkraftwerk auf der Basis von Holzhackschnitzeln
bauen. Eine weiteres Projekt ist die Qualifizierung
des Stadtzentrums und die Weiterentwicklung
des Bahnhofsumfeldes. Zudem gilt es städtebaulich
die demografisch Entwicklung nachhaltig
zu begleiten.
Was
heißt das konkret?
Wir müssen uns damit auseinander
setzen, dass die Bürger älter
werden. Durch die beiden Großunternehmen
gab es vor der Wende viel Zuzug, Menschen,
die heute im Ruhestand sind. Wir müssen
uns darauf vorbereiten, dass wir bis 2020
etwa 13 Prozent unserer Bevölkerung
verlieren. Eine Herausforderung, denn
wie gestaltet man das Leben in einer Stadt,
in der sich die Zahl der Achtzigjährigen
verdoppelt? Andererseits wollen wir Hennigsdorf,
geprägt durch eine gute Infrastruktur
mit Kitas und Schulen, als familienfreundliche
Stadt weiterentwickeln und bewerben.
So wie in Nieder Neuendorf ?
Der Ortsteil, lange Zeit im Schatten
des Grenzgebietes, ist ein Schwerpunkt.
Nieder Neuendorf jenseits des Kanals mit
einer reizvollen Lage zwischen Wasser
und Wald hat sich gut entwickelt, von
300 auf etwa 4.000 Einwohner, viele davon
junge Familien.
Hennigsdorf hat große industrielle
Traditionen. Welche Visionen gibt es für
die Zukunft?
Hennigsdorf hat günstige Voraussetzungen,
ist ein Anziehungspunkt für Unternehmen
und auch für Facharbeitskräfte
in den Bereichen Metall, Schienenverkehrstechnik
und der Biotechnologie als unser drittes
Standbein. Gerade sie birgt für eine
älter werdende Bevölkerung mit
gesundheitsnahen Dienstleistungen, Medizintechnik
sehr viel Potential für die Zukunft.
Was können Sie den Besuchern
und Gästen der Stadt besonders ans
Herz legen?
Das Stadtzentrum, auch das neue Rathaus,
das ja
keines von der Stange ist. Nieder Neuendorf
mit seinem alten Dorfkern, der Uferpromenade,
die Havelseen und Berlin im Blick. Es
gibt zahlreiche historische Punkte wie
den Grenzturm, das Alte Rathaus mit der
Ausstellung zum Werden und Wachsen der
Stadt. Wir bemühen uns, Denkmale
und stadtbildprägende Gebäude
zu erhalten. Denn Hennigsdorf ist für
die Berliner Tagesausflugsgebiet und Ausgangspunkt,
um sich die Reize Brandenburgs zu erschließen.
Ihr Lieblingsplatz in Hennigsdorf?
Ich gehe gern in der Stadt spazieren,
um zu verfolgen, wie das, was man mit
beschloss, Gestalt annimmt. Ich begleite
ab und an Stadtrundfahrten. Eine günstige
Gelegenheit rückzukoppeln, was sich
verändert. Diese Veränderungen
zu erleben und mitzugestalten, prägt
die Identität der Hennigsdorfer,
ihr Selbstbewusstsein.
Das Gespräch führte Hartmut
Moreike
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