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Während
andere Städte und Gemeinden Betonmauer
und Grenzwachtürme so schnell als
möglich geschliffen haben, die Zeugen
einer unseligen und absurden Teilung Deutschlands,
gab es in Hennigsdorf Leute mit Weitblick
und Geschichtsbewusstsein. Die Hennigsdorfer,
die 1961 über Nacht von Straßen
und Schienen nach Berlin abgeschnitten
und besonders von dem Grenzregime mit
der Berliner Mauer betroffen waren, beschlossen,
den Grenzturm in Nieder Neuendorf als
mahnendes Bauwerk zu erhalten und als
Dokumentationszentrum auszubauen.
Tausende Besucher kommen jedes Jahr im
Sommer in die Ausstellung des Turmes,
der bis zum 9. November 1989 nicht nur
ein schlichter Kontrollturm am Grenzstreifen
mit Betonmauer, vielfachem Stacheldraht
und Selbstschussanlagen war, sondern eine
Führungsstelle. Von diesem Turm wurden
mehrere Wach- und Beobachtungstürme
geleitet, Streifen in Marsch gesetzt und
elektronische Grenzanlagen kontrolliert.
Anschaulich dokumentiert eine Ausstellung
im Erdgeschoss Ausrüstungsgegenstände
der Grenztruppen und Bildtafeln. Hier
waren einst Lagerräume, die sanitären
Anlagen und eine kleine Küche untergebracht.
Wer die steile Stiege ins erste Geschoss
erklimmt, befindet sich im ehemaligen
Bereitschaftsraum, wo zwei Doppelstockbetten
für vier Grenzsoldaten des Regiments
38 "Clara Zetkin" standen. Der
ganze Raum ist mit Schießscharten
nach allen Seiten versehen. Hier werden
heute anschaulich die politischen und
gesellschaftlichen Zusammenhänge
und Hintergründe des DDR-Grenzregimes
dokumentiert. In der Etage darüber
läuft es so manchen Besucher eiskalt
den Rücken herunter, wenn er beinahe
echt wirkende Schaufensterpuppen in Grenzuniformen
vor elektronischen Anlagen sitzen sieht.
Sie dienten zur Überwachung des gesamten
kilometerlangen Abschnittes und registrierten
jede Unregelmäßigkeit an den
Sperranlagen. Besonders eindrucksvoll
sind in diesem Raum die Festnahmeprotokolle
und Dokumentationen über den Schießbefehl.
Auf dem heute begehbaren Dach, das den
Besuchern aus neun Metern Höhe einen
weiten Blick nach Heiligensee, Fronau
und Tegel bietet, befindet sich noch immer
der Suchscheinwerfer.
Der Turm wirft seinen Schatten auf den
Radfernweg, der heute Berlin und Kopenhagen
grenzenlos verbindet, so, wie sich es
auch die Hennigsdorfer in der friedlichen
Revolution von 1989 zum Ziel gesetzt hatten.
Dieser Grenzturm vom Typ Führungsstelle
ist der einzige erhaltene seiner Art in
Brandenburg. Kein Wunder, dass Geschichtsinteressierte
Schulklassen ausländische Touristen
und Maueropfer jedes Jahr von April bis
Anfang Oktober nach Nieder Neuendorf kommen,
um die neun Meter absurde Realität
einer untergegangenen Epoche zu besichtigen
und sich zu informieren.
Öffnungszeiten:
von April bis Oktober, von Dienstag bis
Sonntag und an allen Feiertagen
von 10 - 18 Uhr
Eintritt frei.
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