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Steine
zeigen den Mauerweg
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Durch
die 3 Tunnel
flüchteten 53 Menschen
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Das
Haus der Aagaards mit den 2011
errichteten Gedenkstelen
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Der jüngste Fluchtunnel wurde erst
kürzlich entdeckt, der so genannte
Aagaard-Tunnel, in der Ottostraße.
Das Wohnhaus der Familie Aagaard lag unmittelbar
neben dem Todesstreifen. Die Aagaards
wollten nicht mit Stacheldrahtzaun und
Grenzposten vor dem Wohnzimmer leben.
Das Tunnelprojekt war riskant, weil auch
Grenzsoldaten als Kunden den Friseursalon
von Lucie Aagaard besuchten. Gegraben
wurde beginnend in der Wohnstube nur nachts.
Eine Weihnachtsbaumkette beleuchtete den
3,20 Meter unter der Erdoberfläche
verlaufenden Fluchtweg. 43 Meter mussten
unterirdisch mit primitiven Werkzeugen
und bloßen Händen gegraben
werden in einem Tunnel, nur 80 Zentimeter
hoch und 60 Zentimeter breit. Fensterrahmen
und Bretter dienten als Stützen des
Stollens. Zum Glück waren die oberen
Erdschichten gefroren und schützten
den Tunnel vor dem Einstürzen. Trotz
der geringen Ausmaße fielen mehr
als 20 Kubikmeter Sand an. Um den anfallenden
Aushub unbemerkt zu entsorgen, wurden
Schubladen und Schränke mit märkischem
Sand gefüllt, musste eine Zwischenwand
gezogen werden, hinter der Massen des
Aushubs gelagert wurden.
Nach fünf Monate langer unsäglicher
Plackerei und der ständigen Gefahr,
entdeckt zu werden, floh die Aagaard-Familie
mit der 70- jährigen Großmutter
in der Nacht vom 9. zum 10. März
1963 durch den 60 Zentimeter breiten und
80 Zentimeter hohen Schacht. Weil die
Oma nicht in das Loch steigen wollte,
wurde sie auf einer Luftmatratze durch
den Tunnel geschleift. Neun weitere Leute,
darunter eine befreundete Familie aus
Dresden, schlossen sich auf dem abenteuerlichen
wie gefährlichen Weg in die Freiheit
an.
Nach dem Fall der Mauer zogen die Aagaards
wieder in ihr altes Haus in Glienicke/Nordbahn.
Und noch immer knirschte in den Stuben
der Sand, denn die Vormieter hatten offenbar
nicht alle Deponien in der Wohnung entdeckt.
Heute erinnert eine Stele vor dem Haus
an diese denkwürdige Nacht im geteilten
Deutschland.
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