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Wer
einst Rüdersdorf besuchte kam aus
der großen Stadt um sich zu erholen,
zu wandern, die Natur zu genießen
und auch eine Reise in die Erdgeschichte
zu unternehmen. Rüdersdorf und seine
Umgebung waren ein Ausflugsmagnet, der
unter anderem 50 Restaurants anzubieten
hatte. Die Besucher liebten die Natur
mit dem Wasser, den Bergen und seinen
Steinen, dem satten Grün und der
herrlichen Luft, wie man es noch heute
nachlesen kann.
Die eigentliche Geschichte von Rüdersdorf,
oder besser seinem Kalkstein, begann vor
etwa 200-250 Millionen Jahren. Muscheln,
Schnecken und weitere Schalentiere lebten
in einem großen Binnengewässer.
Das Meer trocknete aus und es entstand
ein Kalksteinlager, das den Ort später
weltberühmt werden ließ. Doch
vorher musste der wertvolle Bodenschatz
erst entdeckt werden. Einer Sage nach,
natürlich spielte der Zufall wieder
eine große Rolle, war es ein Bauer,
der sich über seine Steine im Boden
ärgerte. Als er einen zerschlug,
erkannten reisende Mönche, wie aus
dem gebrochenen Stein, in Verbindung mit
Feuer und Wasser, ein hervorragender Bindebaustoff
entstand. Die Mönche gehörten
dem Kloster Zinna an. Aus dieser Zeit
geht auch das Gründungsdatum 1235
für den Ort Rüdersdorf hervor.
Von
nun an wurde der Kalkstein abgebaut und
zum überall verwendeten Baumaterial,
zunächst als Quaterbaustein und später
dann als Bindemittel (Branntkalk). Es
war eine schwere Arbeit, denn neben dem
Brechen, galt es den Stein auch zu transportieren.
Der Bedarf an gebranntem Kalk wuchs. Benjamin
Graf Rumford konstruierte einen aufrecht
stehenden, elf Meter hohen Ofen, der mit
seinen doppelwandigen Ziegelwänden
zur Einsparung von Brennmaterial, inzwischen
Torf oder sogar Kohle, beitragen konnte.
Es begann die erste große Blütezeit
der Zementindustrie von Rüdersdorf.
Aus den Rumford-Öfen wurden der "Rüdersdorfer
Ofen", eine Schachtofenbatterie,
bei der sich die Brennräume paarweise
gegenüberstanden. 1937 wurde das
Zementwerk II als modernstes Zementwerk
Europas in Betrieb genommen.
Im Januar 1964 begann die Bauarbeiten
für das Zementwerk IV, das am 1.06
1966 mit der Produktion aufnahm. Die Folgen
für Rüdersdorf waren verheerend.
Die historische Redenstraße, die
Heinitzstraße und einige markante
Denkmäler fielen einem unvergleichlichen
Raubbau am Ort und der Natur zum Opfer.
Knapp 40 Jahre wurde der Ort Rüdersdorf
in keinem Reiseführer mehr erwähnt.
Rüdersdorf war bekannt als Industriestandort
und noch schlimmer als "Dreckschleuder"
der Republik. Alles lag unter einem Grauschleier.
Stromleitungen hingen durch, weil sich
eine dicke Kruste um sie bildete. Dächer
einst ziegelrot, Bäume eigentlich
grün - alles war mit einer einheitlichen
grauen Schicht bedeckt. Hauswände
erhielten Markierungen auf denen vermerkt
war, wie hoch die maximale Deckenbelastung
durch den Staub betragen dürfe.
Die Zementindustrie war allgegenwärtig.
Jeder sprach vom Tagebau, Beton oder Kalkwerk
und dem ZI, Z2, Z3 oder Z4, denn nahezu
alle Rüdersdorfer hatten direkt oder
indirekt mit der Zementproduktion eine
Verbindung.
Auch heute wird noch Kalkstein abgebaut
(ca. 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr) und
Zement produziert. Doch der Staub ist
Dank einer verantwortungsvollen Umweltpolitik
weg und der Ort erhält mehr und mehr
seine alten Reize und ein wenig seiner
einstigen Romantik wieder zurück.
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