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Mit 100 Kilometern über den Rangsdorfer See? Das geht – aber nur im Winter, wenn der knapp 300 Hektar große See zugefroren ist und über eine tragfähige und möglichst schneefreie Eisdecke verfügt. Dann wird der Rangsdorfer See zum Eldorado der Eissegler. Unter knapp sechs Quadratmetern Segelfläche flitzen die meisten Kufenfahrzeuge über den blinkenden Untergrund. Das Tempo ist atemberaubend. Es fasziniert nicht nur die Segler, es begeistert auch die Zuschauer. Nur ein Wermutstropfen bleibt: Die Saison ist kurz, zur kurz eigentlich. Im vergangenen Winter konnte man gerade eine Woche aufs Eis. Bleibt die Frage: Was machen Eissegler, wenn kein Eis da ist? Antwort: Sie segeln – ganz normal.
Schneller als der Wind
Wenn Wind und Eis ideale Voraussetzungen bieten, entwickeln Eisschlitten gewaltige Geschwindigkeiten. In Rangsdorf werden in jedem Winter um die 100 km/h gemessen. Den Weltrekord aber hält ein Amerikaner. Er schaffte es mit einer Spezialkonstruktion auf sage und schreibe 238 km/h. Da blieb der Wind mal wieder nur zweiter Sieger... |
Das ist wenig verwunderlich. Denn unter dem Dach der Rangsdorfer Segelgemeinschaft 53, die an der Seepromenade ihr Klubhaus hat, sind sowohl Segler als auch Eissegler zu Hause. Vereinsvorsitzender Dr. Rudolf Krause: „Es gibt so etwa 20 Eissegler auf dem See. Fast alle gehören zu uns.“ Stefan Gossing ist einer von ihnen. Seit 1976 segelt der Projektentwickler auf dem Rangsdorfer See. Jollen waren und sind seine Leidenschaft. Da war er bei der Rangsdorfer Segelgemeinschaft 53 gerade richtig. Die konzentriert sich auf nur einen Bootstyp: auf die Piraten, eine Traditionsjolle mit 10 Quadratmetern Segelfläche. Und die Rangsdorfer Segelgemeinschaft hat Erfolg damit. In ihren Reihen findet man mit Detlef Hegert sogar einen deutschen Vizemeister. Und bei der Europameisterschaft segelt er als Dritter über die Ziellinie. Bei Stefan Gossing blieb es aber nicht beim Segeln. „Wer Adrenalin im Blut liebt, der muss im Winter einfach auf die Kufen“, stellt er fest. Und der Rangsdorfer See verführt dazu auch. Er ist zu großen Teilen keine zwei Meter tief und hat kaum Strömung. Deshalb friert er schnell zu. Das hat ihn zum zentralen Gewässer der Brandenburger und Berliner Eissegler und zum Austragungsort der DDR-Eissegelmeisterschaften gemacht. Und er lockt sogar Niedersachsen an. Stefan Gossing: „Hier macht sich das kältere und trockenere Kontinentalklima schon bemerkbar. Da kommen dann oft die Sportkameraden vom Steinhuder Meer hierher, weil sich bei ihnen noch keine tragfähige Eisdecke gebildet hat.“ Große Wettkämpfe werden in Rangsdorf aber nicht mehr ausgefochten. Dazu ist der See zu beliebt. „Wenn das Eis gut ist, dann haben wir schnell 3.000 bis 4.000 Menschen auf dem See. Da ist an Regatten nicht zu denken“, erläutert Gossing. Man sieht ihm an, dass ihn das nicht bekümmert: „Wir haben trotzdem unseren Spaß. Ob im Einsitzer oder im großen Zweisitzer – wenn der Wind richtig steht und das Eis gut ist, dann sind wir doppelt so schnell wie der Wind. Um das zu genießen, braucht man keine große Regatta.“ Dann ist er jeden Tag auf dem See: mit Helm, Brille, Eisretter und Signalpfeife ausgerüstet schiebt er seinen Schlitten an, springt hinauf und ab geht die wilde Fahrt.
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